Auf dem Hermannplatz
Genau solch eine Verkaufssituation ist mir im echten Leben begegnet. Nicht nur einmal, sondern regelmäßig. Und zwar immer dann, wenn ich über den turbulenten Hermannplatz in Neukölln spazierte, um an den Marktständen Einkäufe zu tätigen oder abseits des Büroalltags Berliner Luft zu schnappen, die nicht nach Flipchart, Espressomaschine und BahnCard 50 riecht.
Da gab es diesen unübersehbaren und vor allem unüberhörbaren Fischverkäufer vor dem Karstadt-Kaufhaus, der vier Arme zu haben schien, auf denen er immer mehr glitschige Meeresbewohner (allesamt tot) türmte und mit jedem neuen Teil noch mehr Rabatte anpries. Ich weiß gar nicht, wie er das alles halten konnte. Es wurde immer mehr und immer billiger, so schien es. Wer lange genug wartete und im richtigen Moment zuschnappte, konnte eine gigantische Tüte für 10 Euro mitnehmen.
Alle anderen hatten ihren Spaß dabei, den Marktschreier zu beobachten, wie er triumphierend auf den Höhepunkt zusteuerte, der immer mit dem gleichen ultimativen Ausruf endete: „Und den Aal packen wir auch noch obendrauf!“ Widerstand war zwecklos. Der Mann hatte viele Abnehmer. Ob sie glücklich mit den Unmengen an Fisch waren, weiß ich nicht.
In einer Ecke, etwas weiter abseits, stand ein anderer Verkäufer. Eigentlich nahm man ihn gar nicht als jemanden wahr, der etwas verkaufen wollte. Er selbst schien davon peinlich berührt zu sein, dass er hier stehen musste. Die Not hatte ihn wohl ins laute Markttreiben verschlagen. Es war ein trauriger Anblick. Das Einzige, was der Mann anzubieten hatte, waren Heftpflaster.
Die sind sehr nützlich, wenn man sich plötzlich geschnitten hat oder das Kind mit aufgeschürften Knien schreiend nach Hause kommt. Heftpflaster braucht man selten. Im Falle eines Falles aber sind sie umso wertvoller. Sie sind haltbarer als Aal und riechen besser. Pflaster müssen nicht unbedingt schön aussehen (obwohl Kinder natürlich die bunt bedruckten mit den Bärchen eher annehmen).
Sie müssen einfach da sein. So war es auch mit diesem seltsamen Mann: Er war immer da. Er sagte nur: „Pflaster, meine Damen und Herren.“ Die stummen Diener und dieser Verkäufer verschmolzen in meiner Erinnerung quasi zu eins. Er war wie ein Geist – aber ein guter.
Pahnke sagt
Diese direkte Gegenüberstellung hat mich zum Nachdenken gebracht. Ich erlebte ja nicht nur eine pittoreske Situation auf einem belebten Platz, nahezu filmreif, sondern hier drängte sich geradezu eine Metapher für das Geschäftsleben auf.
Viele Kunden, die ich berate, kommen mit denselben Fragen. Wie soll ich mich mit meinem Unternehmen aufstellen? Was verspricht mehr Erfolg? Trete ich großspurig auf, stecke viel Geld ins Marketing und biete eine Fülle von Produkten an, die ich billiger als die Konkurrenz verkaufe? Riskiere ich damit, dass sich meine Marge nur rechnet, wenn ich in großen Mengen ein- und verkaufe?
Oder mache ich es wie der schüchterne Spezialanbieter an der Ecke, dessen Portfolio klein ist (oder sogar nur auf ein Produkt fokussiert), dafür aber handwerklich solide gearbeitete Dinge anbietet, die nur für den seltenen individuellen Einsatz gedacht sind und umso mehr wertgeschätzt werden?
Und hier kommt die Antwort
Die Antwort ist einfach: Weder, noch. Wer unter Druck gerät, weil ihm gerade das Geschäft komplett wegbricht (wie jetzt in der Corona-Krise), sieht sich eventuell gezwungen, viel lauter zu schreien und alles anzubieten, was nicht schnell genug auf den Baum kommt (man verzeihe diese rüde Formulierung aus der Urzeit der menschlichen Evolution).
Andere lassen sich von der Goldgräberstimmung anstecken: Wer jetzt nicht die Millionen scheffelt, ist selbst schuld! Wenn nicht jetzt, wann dann? Die Krise ist eine Chance! Andere wiederum ziehen sich in ihr stilles Kämmerlein zurück und denken radikal: Fokussierung! Qualität! Individualität! Das verkauft sich immer. Es gibt sie noch, die guten Dinge … Nicht laut sein, sondern gut sein.
Pahnke sagt
Die Krise ist brutal, ja. Aber irgendwann wird sie enden. Langfristiger Erfolg stellt sich weder mit Lautstärke und Aktionismus noch mit Wegducken und Träumen ein. Nur im Ganzen, sinnvoll und zielgerichtet, erarbeitet man sich seinen verdienten Erfolg.
Pahnke sagt: Gute Dinge verkaufen sich nicht von alleine. Und Lautstärke ohne Substanz bewegt nur warme Luft von hier nach dort – gerade gut zu beobachten in den sozialen Medien (aber das ist ein anderes Thema). Nachhaltigkeit steht auf zwei festen Füßen: gutes Produkt und brillantes Verkaufen. Mit nur einem Bein kippt man irgendwann um.
Über Stefan Pahnke
"Seit 25 Jahren gestalte und führe ich Organisationseinheiten und Teams so, dass Ziele tatsächlich erreicht werden. Von kleinen Projekten bis hin zu einer Milliarde EUR Auftragswert und von der Verantwortung für wenige Mitarbeiter bis hin zur Leitung von 500 Mitarbeitern und mehr: Mit meiner Unterstützung erreichen Sie Ihre Ziele!"
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